Walter Lüönd und Roma Messmer Bubikon (ZH)

Walter Lüönd - Sciaredo von oben - gemalt! Für weitere Bilder clicke auf das Bild!

Auch 2017 ist es eine faszinierende Geschichte, die der im Zürcher Oberland lebende Künstler Walter Lüönd dem reichen Sciaredo-Buch hinzufügt. Diesmal eine von einem Hasen. 2015 war es „attenti al lupo“, das die Fährte legte. Auch damals in dem verlassenen „Grotto“ im Bambus-Wald unterhalb der via della Chiesa. Der Kopf des Langohrs, mit Öl auf Tuch gemalt, ist in ein altes,  nun unverhofft wie ein Schrein wirkendes, abschliessbares Vorratskästchen im Grottino eingepasst. Einmal, vor Jahren, so erzählte ihm Cilya Gerster aus Barbengo, die das Grotto in den 1990ern als Kinder-Kreativ-Werkstatt nutzte, soll ein toter Hase ohne Kopf da hineingelegt worden sein, aus was für makabren Hintergründen auch immer. Für ihn hat Walter Lüönd – durchaus augenzwinkernd auf die Kunstgeschichte von Dürer bis Beuys anspielend – ein Memorial geschaffen, das  im abgetakelten Grotto auch zum Vanitas-Symbol wird. Mit einer einsamen „Konzert“-Performance („Ich bin kein Musiker“!) peppt er die emotionale Intensität der Story zusätzlich auf.

Etwas finden, darin lesen, es mit eigenem Assoziationen und dem Wissen des World Wild Web verknüpfen, die Fäden weiter spinnen – das ist der rote Faden im Kunstschaffen von Walter Lüönd (* 1951 in Jona/SG). Welche Blüten das treiben kann, zeigt eine zweite 2017 in Sciaredo entstandene Arbeit: Im unteren Teil des Grottos (einst ein Weinkeller) fand WL einen alten, metallenen Fass-Reifen mit einem Ø von 130 cm. Er hielt einst die Dauben eines Eichen-Fasses von 1800 Liter Inhalt zusammen.  Lüönd löst ihn aus dem Kontext und macht ihn, nun im Innern mit einer Rettungsfolie versehen, zum Signal-Empfänger indem er ihn auf der Sciaredo-Dachterrasse befestigt und mit dem Titel eines Songs von Pink Floyd „Is there anybody out there“ benennt.

A propos Überlebensfolie – in der Zeit des Aufenthaltes von Walter Lüönd und Roma Messmer im Mai/Juni 2017 war es in Sciaredo so heiss, dass sie die Folie als Verdunkelungs-„Segel“ einsetzten.

Siehe: https://vimeo.com/223014081/d0b9ed1668

Parallel zu den installativen Arbeiten Walter Lüönds enstanden – wie schon 2015 – eine Reihe kleinformatiger Leinwandbilder mit Einzelmotiven - eine Zementmisch-Maschine zum Beispiel, die die im Frühsommer 2017 an der Zufahrtsstrasse zu Sciaredo tätigen Handwerker „im Rank“ platziert hatten. Mit der kleinen Geste, sie knallrot zu malen, lädt sie der Künstler mit jener Kraft auf, die es braucht um die Fantasie in Gang zu setzen. Kein „Ding“, das nicht gut genug für eine Geschichte wäre!

 

Anders als 2015, war Lüönds Partnerin, die Zürcher Künstlerin Roma Messmer (geb. 1942) dieses Mal während der ganzen Aufenthaltsdauer mit von der Partie, das heisst auch mit eigenen, künstlerischen Ideen. Diesen kann man sich mit dem Paradox der Liebe zur gezielten Improvisation annähern. So benutzt sie zum Beispiel gerne billige, ältere Fotokameras, mit denen sich keine gestochen scharfe Bilder machen lassen, wohl aber gezielte Unschärfe. Fast wie ein Pendel bewegte sie die offene Kamera über der blühenden Wiese in Sciaredo und verschmolz so die Natur zum „Informel“-Bild. „Ich liebe die Überraschungen, die sich dabei ergeben“, sagt sie. Noch sind die Resultate kleinformatig, aber wer weiss...

Oft verlegt sie die zweiten und dritten Schritte der Bildfindung in den Computer, denn da kann sie mit der entsprechenden Software mehrere Schichten von Fotos,  vor allem auch zeichnerische und malerische Versatzstücke – meist Naturmotive – übereinander legen. Fasziniert haben sie unter anderem die Palmenwedel mit ihren gespreizten „Fingern“.

Um die angestrebte Transparenz in die Gleichzeitigkeit der Bildebenen zu bringen, montierte sie einige der auf Folie ausgedruckten Kompositionen auf hinterleuchtete Holzkästen; eine Werkserie, die sie schon seit einigen Jahren verfolgt. Kombinationen spielen im Schaffen von Roma Messmer auf verschiedenen Ebenen eine grosse Rolle – das sah man zum Beispiel letztes Jahr als sie im Rahmen einer Visarte-Gruppenausstellung im Zürcher Uto-Bad auf einer eingegrenzten Sonnenterrasse Papier-Schiffchen schweben liess;  ganz bewusst aus Zeitungsseiten mit Texten zu den aktuellen Flüchtlingsströmen von Nordfrika nach Europa gefaltet.

 

azw August 2017