Regula Ehrliholzer Gestalterin Zürich

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Regula Ehrliholzer Gestalterin Zürich

Die in verschiedenen visuellen Medien arbeitende Zürcher Gestalterin Regula Ehrliholzer kam Ende September 2017 mit einem grossen Wunsch nach Sciaredo: «Loslassen». Intensive Arbeits-Monate für die «dreh gmbh», ihrem «Bureau für professionelle Deformation» *, hatten dem freien kreativen Bild-Fluss Grenzen gesetzt.

So hatte sie – im Gegensatz zu 2012, als sie ein erstes Mal in der Casa weilte** – keine konkreten Pläne im Gepäck. Und doch: Ohne Starterkit ist Regula Ehrliholzer nie unterwegs. Diesmal waren es u.a. mehrere, zum Teil grossformatige Blind-Bände mit verschiedenen Papieren – wie würden sich ihre Tuschen und Pigment-Malmittel auf den gestrichenen Oberflächen verhalten? Und dann auch einige Bücher aus der Brockenstube, die sich bildreich mit dem Thema der Alpen befassen; das Fertigen malerischer Collagen gehörte schon immer zum Lustvollen in ihrem vielseitigen Schaffen.

So ist das, was ihren Sciaredo-Aufenthalt dieses Jahr kennzeichnet, ganz einfach ein kreativer Prozess.

Was beim Betrachten der für unser Gespräch auf dem langen Atelier-Tisch ausgebreiteten Skizzenbücher und Papier-Arbeiten auffällt, sind vor allem zwei Dinge: Regula Ehrliholzer liebt breite Pinsel und damit fast automatisch die Geste, den Fluss, die grosszügigen Bewegungen. Diese sind nicht expressiv, wild, sondern betonen das Auf und Ab, die Diagonale, auch mal das Skripturale, nur selten den Kreis. Dann und wann denkt man an Horizonte, an Berge.

Man ahnt es: die Bildproben entstehen schnell, sie sollen aus dem Innern fliessen, bilderzählerisches Moment sein. Ganz praktisch fragt man sich bei den nun nicht mehr „blinden“ Bänden wie das denn gehe, so schnell von Seite zu Seite, beim gestrichenen Papier, das wenig saugt, die Farbe als nasse Schicht belässt und lachend erklärt die Malerin, mit was für raffinierten Hilfs-Konstruktionen sie arbeitet, wie sie an mehreren Standorten gleichzeitig malt.

Und dann fällt natürlich auf, dass da wenig Farbe ist – keine glühenden Rot und Gelb, Grün fast nur als abgetöntes Olivbraun und das Blau ist meist petrolfarbig und selten obenauf. Vereinzelt habe sie es versucht, sagt Ehrliholzer, aber eigentlich habe sie laute Farben noch nie gemocht und auch der harte Kontrast von schwarz und weiss sei nicht ihr Ding. Darum kommen ihr auch die alten Alpenbände entgegen, deren zerschnittene Seiten sie hier und dort oder auch bildfüllend, aber nie illustrativ, einfügt. Von Ferne erinnert die diesjährige Wahl der Bücher daran, dass Regula Ehrliholzer auf ihrem stationen-reichen Ausbildungsweg an der Universität respektive der ETH Zürich Geographie, Kartographie und Fotografie studierte.

Man staunt: Ausgerechnet sie bezieht sich bezüglich der unterschwelligen Thematik ihrer zuweilen auch mit Natur-Fundstücken ergänzten Skizzen auf die 2015 mit einer grossen Ausstellung im Haus konstruktiv in Zürich geehrten US-Libanesin Etel Adnan (*1925), die so wunderbar mit Farben spielt. Doch Adnan ist auch Schriftstellerin, Lyrikerin und darin befasst sie sich in poetischster Weise mit dem Einfluss von Meer, Nacht und Nebel auf unser Leben oder fasst ihre «Gespräche mit der Seele» in Worte. «Wir leben bei Tag, und mein Gefühl ist, dass wir das Mysterium der Nacht verloren haben. Vielleicht wäre die Menschheit anders, wenn wir mehr bei Nacht gelebt hätten als bei Tag», schreibt Adnan in einem ihrer «Poeme».

Es ist leicht, das nächtliche Sciaredo – schon Georgette Klein schrieb ihre Gedichte am liebsten auf der Dachterrasse – mit den Worten Adnans zu verbinden und sie als Befindlichkeit, als Inspiration mit ins freie Malen (auch am Tag) mitzunehmen.

Die collage-betonten Papierarbeiten ähneln in gewissem Sinn der Art und Weise, wie Regula Ehrliholzer parallel immer auch kleine Objekte entstehen lässt – als «Gespräche» von kleinen Non-Valeurs, die ihr auf Spaziergängen auffielen, nach denen sie sich bückte, sie nach Hause trug und ihnen im Verwandlungsprozess Wert einhauchte.

Wie weit die freien Kreationen von Sciaredo unverhofft als Untergründe in ihre Buchgestaltungen, in die Inszenierungen der Schaufenster der Buchhandlung am Hottingerplatz in Zürich, in Plakate und andere Affichen finden werden, ist noch unklar, aber als Strom im Untergrund werden sie gewiss auch im Licht ihre Wirkung zeigen. Sicherlich werden sie zum Kapitel in ihren «Artist Trading Cards» – einer Art «Bildkarten», die sich über die Tausch-Plattform einer internationalen Gruppe von Gleichgesinnten (Obmann: Vänçi Stirnemann) über Zusammenkünfte (sog. Trading Sessions) verbreiten.***

 

* Details siehe www.dreh-gmbh.ch

**s. Text Ehrliholzer I

*** www.artist-trading-cards.ch