Bruno Büchel St. Gallen – Bielefeld

Bruno Büchel Atelier Sciaredo April 2016  

Für eine Vergrösserung und weitere Bilder, clicke auf das Bild

„In Bielefeld käme mir nie in den Sinn, eine Landschaft zu malen“, sagt der St. Galler Maler, Zeichner und Fachlehrer Bruno Büchel (*1947), der seit 2002 mehrheitlich in Bielefeld im Norden Deutschlands lebt. In Sciaredo, wo Büchel im April 2016 weilt, sieht das ganz anders aus. Doppelt anders.

Zum einen ist sein täglicher Abendspaziergang zu den „Vogeltürmen“ von einer terrassierten, durch blaue Netze geprägten Tessiner Rebberg-Landschaft bestimmt, die sich auf der Kuppe hinunter zum Lago Maggiore hin und hinüber zu den Bergen Italiens öffnet.

Zum andern kollidiert sein Arbeitsaufenthalt mit einer intensiven Renovationsphase der 1932 im Bauhaus-Stil gebauten und unter Denkmalschutz stehenden „Casa Sciaredo“. Das Haus ist rundherum eingerüstet, konstruktive Linien mit Durchblicken in saftiges Frühlingsgrün charakterisieren den Blick aus den Fenstern, jenen nach Osten und Süden vor allem.

Die zwei für den Künstler prägenden Eindrücke werden zu den zentralen Motiven seiner Sciaredo-Bilder – Zeichnungen auf Papier und Glas, Malerei auf Sperrholz, Aquarelle, Schablonen-Drucke, Fotografien. Dabei gilt es allerdings sogleich den Künstler zu zitieren: „Motive sind eigentlich nur ein Vorwand, um Farben und Formen in immer neuer Darstellung auf einen Bildträger zu bringen.“ Das heisst, das primäre Interesse Bruno Büchels gilt dem Prozess der Bildwerdung, der Bilderfindung.

Dabei ist ein Credo uralt, begleitet ihn seit langen Jahren, sowohl als Künstler wie als Dozent. Es heisst sinngemäss, dass man mit einem Motiv nur „spielen“ kann, wenn man es auswendig kennt. Die Basis dazu liefert die Zeichnung. Zeichnen müsse man täglich üben wie ein Instrument, sagt er und greift im Gespräch zu seinem Sciaredo-Skizzenbuch ...

Ein anderes Moment ist eine neuere Entwicklung in seinem Schaffen. Es ist die Suche nach Transparenz, nach Schichtung, nach Spiegelung, nach dem einen im andern, nach doppelter Erscheinung.

Gerade da, wo sich beide Momente treffen, entstehen die, nach Ansicht der Schreibenden, spannendsten Sciaredo-Werke.

Mit den in Hirn, Arm und Hand eingeschrieben Motiven, zeichnet (malt) der Künstler auf Glasplatten, oft nur mit weisser Farbe, aber auch grau-braun oder mit wenigen Farbtönen. Nun stellt er die Gläser ins saftige Gras rund um die Casa und fotografiert die Installation. Es ist nicht einfach, das Glas zum „Verschwinden“ zu bringen, die Lineaturen der Zeichnung ohne sichtbare Abgrenzung mit den Lineaturen der Gräser in Dialog zu setzen. Doch es gelingt. Die Natur und ihre in der Pinselzeichnung visualisierte Gestaltung durch den Menschen mitsamt den Dingen, die er in diese Natur stellt, gehen eine überraschende, Grössenverhältnisse überspielende Verbindung ein.

In anderen Varianten legt er die bemalten Gläser auf Papiere im selben Format, die bereits andere Teile desselben Motivs zeigen und spielt mit den Effekten von darüber, darunter, dahinter. Zuweilen verdoppelt er die Anlage in Fotografien, in denen er Bilder und die Atelierfenster, das reale Gerüst davor und die Spiegelungen der einen im anderen und im dritten kombiniert. Raffiniert!

Dann nimmt sich der Experimentator wieder zurück und besinnt sich auf seine Basis; er ist ja kein „Spring ins Feld“ mehr, und so ist es für ihn ebenso wichtig, immer wieder die Formen zu betrachten, sie zu dekonstruieren und neu zusammenzusetzen; sie mit den Klängen der Farben ins Licht der Jahreszeit  zu rücken und auch seine eigene, individuelle Stimmung einzubringen.

 

azw 1. Mai 2016