Vera Dzubiella, Basel - Dialog mit der Natur (2017)

Vera Dzubiella Dialog mit der Natur 1 7_2017 Für Vergrösserung und 9 weitere Bilder, clicke auf das Bild!

 

In der zeitgenössischen Kunst dominiert aktuell das Urbane, Politische. Der unmittelbare Dialog mit der Natur ist erstaunlicherweise nur selten ein Thema. „Retro“ heisst es von der Mainstream-Phalanx mit Verweis auf „Natur & Kunst“ in den 1970er- und 80er-Jahren. Eine, die sich bei der Wahl ihrer Masterthesis an der FHNW in Basel gegen solche Einwände durchsetzte und auf neue Zugänge zur Natur verwies, ist Vera Dzubiella (Abschluss 2014). „Von der Wahrnehmung geleitet“ war der Titel ihrer Master-Arbeit und dokumentierte im visuellen Teil u.a. Wanderungen dem Rhein entlang, bei welchen sie achtsam die Materialien, die Pflanzen, die Topographie „einatmete“ und den stillen Austausch in situ in unspektakuläre, aber deutlich sichtbare Formen umsetzte, fotografierte und dann...weiter ging.

Kein Wunder war sie fasziniert von Sciaredo als sie das Haus und die Natur und seine Geschichte („ich liebe Geschichten“) auf der Website der Stiftung entdeckte. Ein Aufenthalt war nur während der Sommerferien denkbar, denn ihr Brotberuf als Lehrerin für Gestaltung auf verschiedenen Stufen im Raum Basel lässt nur schmale Zeitfenster zu. Vom 9. Juli bis 5. August 2017 klappte es und war ihr eine Zeit der Inspiration pur. Die Sommerhitze 2017 machte ihnen (sie war mit ihrem Sohn Aurel, der eben den Bachelor in Fotografie und Visueller Kommunikation abgeschlossen hat vor Ort) zwar zu schaffen, doch endlich wieder einmal ein Atelier zu haben und ein wunderbares Stück Natur fast nur für sie allein sei herrlich gewesen, sagt sie. Zuhause habe sie ihre Materialien in der Garage („Kunst statt Auto“) – aus finanziellen Gründen, aber auch weil ihre wichtigste Kunst draussen in der Natur entstehe.

Diese intensive – von breitem Wissen untermauerte – Beziehung zur Natur hat ihre Wurzeln in der Kindheit in Norddeutschland, wuchs sie daselbst doch auf einem Bauernhof auf. Auch in ihrer ersten Zeit in der Schweiz hatte sie einen „Familiengarten“, was sie liebte als die Kinder klein waren. Doch sie wollte mehr, vertiefte sich und durchlief die langen Wege der Ausbildung.

Der Titel ihrer Masterarbeit „Von der Wahrnehmung geleitet“ könnte auch der Titel ihrer Sciaredo-Arbeiten sein, allerdings neben ästhetischen Kriterien ganz wesentlich um den Faktor des Haptischen erweitert, denn das Materielle ist gleichzeitig die Verbindung mit dem Körper, dem Sein, dem Denken, dem Fühlen. Und all das möchte sie einbringen, wenn sie Äste schält und einem Alphabet gleich in kleinen und grösseren Gruppen in den weiten Garten stellt. Wenn sie getrocknetes Gras zu Büscheln mit geschnürter Taille formt, die zugleich auf einem Untergrund stehen wie sich nach oben öffnen. 

Die allen Sinnen offene Wahrnehmung leitete sie auch als sie  eine wild wachsende Rebenranke zu einer Kugel verwob und ins Geäst hängte. Dass Georgette Klein – die Erbauerin der Casa Sciaredo (1932) – einst ihre Holzskulpturen an Bäumen befestigte und um 1960  so fotografierte, war ihr dabei zweifellos bewusst, denn, so Vera Dzubiella, der „Geist“ von GEO sei, wenn man es innerlich zulasse, heute noch in gewisser Weise präsent.

Von ihren Neigungen her, aber auch in ihrer Ausbildung spielten textile Arbeits-weisen stets eine wichtige Rolle. Das äussert sich in Geflochtenem und Gewobenem hier und dort, aber auch in den diesen Sommer wichtigen Arbeiten auf textilen Trägern. Mit Lust färbte sie Farn, Rindenstücke, die Blätter von Taglilien, Palmwedel und vieles mehr, legte sie auf Stoffe von fester Leinwand bis  zu feinem Tüll, schützte sie mit einem Deckpapier und „druckte“ die Farbe mit einem Roller auf das Trägermaterial; zumeist in mehreren Schichten. Monotypien nennt man das im Fachjargon. So entstanden – für einmal – Arbeiten, die überdauern, in Ausstellungen gezeigt werden können. Wer in diesen Monaten das „Grotto“ von Sciaredo aufsucht, erlebt das in intimer Weise, denn da fügte sie der musikalischen „Symphonie“, die ihr Artist in Residence-Vorgänger* daselbst für sein Memento eines toten Hasens spielte, eine „Pflanzen-Symphonie“ in Form eines Wandbehangs respektive eines Kreises aus Rindenstücken und Pigmenten hinzu.

Duftsäckchen als Kunst – für viele undenkbar; Vera Dzubiella schert sich nicht darum – Duft ist eine Sinnesqualität und die gilt es mitzunehmen in eine ganzheitliche Wahrnehmung, sagt sie sinngemäss. Mit ihrem botanischen Know-How fand sie im Sciaredo-Garten eine ebenso in ihrer Vielfalt überraschende wie faszinierende Fülle an Kräutern und Duftpflanzen, die sie trocknete und in bedruckte, textile Behälter einfüllte oder auch als Tee serviert. 

Ob allerdings eine Ausstellung der Sicaredo-„Ernte“ überhaupt stattfinden wird, ist ungewiss. Denn viel mehr interessieren die Künstlerin, die ihr Schaffen einer erweiterten „Land Art“ zuordnet, mögliche Teilnahmen an temporären Freilichtausstellungen mit Arbeiten in situ. So wie in der Ausstellung NaturKunst al Castel im Sommer 2017 im Naturschutzgebiet „Torre Belvedere“ in Maloja.

* (s. Text Walter Lüönd)

 

azw 9/2017

 

© Fotos: Vera Dzubiella