Eveline Imamoglu, Uster

Eveline Imamoglu Pinselzeichnung Panorama

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Am Ende von 10 Wochen  in Sciaredo (September bis November 2014) schreibt die Künstlerin: „Ich bin verliebt in dieses Haus“. Schon vielen hat der Aufenthalt gefallen; warum schreibt sie es im „Superlativ“? Eine Schwärmerin ist sie nicht. Hat es etwas mit ihrer Kunst zu tun? Vielleicht. Eveline Imamoglu ist – vereinfacht ausgedrückt – eine Alt-68erin. Die damals aufgebrochene Lust, zu neuen Horizonten aufzubrechen – mit den Männern erstmals auch die Frauen – hat sich in etwas verdichtet, das man Suche nach „Entgrenzung“ nennen möchte. In der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen – von Installation über Performance bis Malerei, Objekt, Text und Musik – gibt es  immer wieder  den Versuch, Hier und Dort, Himmel und Erde, Klang und Frequenz,  Wandel und Erneuerung sichtbar,  hörbar zu machen.  Steht man  - konzentriert auf sich selbst -  auf der Dachterrasse von Sciaredo, mit nichts als dem Himmel über sich, kann man  dieses Gefühl von „Entgrenzung“  erfahren; im Idealfall als „Glücksmoment“.

Früher reiste Eveline Imamoglu oft in die Wüste, an die Grenze von Dasein, Weite und Unendlichkeit, später (heute) sind es oft die Berge, die sie auf der Suche nach „Entgrenzung“, die ja auch „Verbindung“ bedeutet,  „magnetisch“ anziehen. Kaum in Barbengo angekommen, erklimmt sie die ersten Hügel und „Berge“. Und bis zum Ende ihres Aufenthaltes kennt sie sie alle, die Aussichten, die Horizonte von den näheren und ferneren Erhebungen rundherum. Fotografien dokumentieren sie, doch eine Fotografin im engeren Sinn ist Eveline Imamoglu nicht. Es geht um mehr als das Sichtbare, ums Schichten, ums Mehrfache, die Gleichzeitigkeit von Sehen und Erleben, ums Unsichtbare. Täglich spielt sie auf ihrem „Schwyzer Örgeli“  - Musik bringt das eine und das andere zusammen. Zum „Audio-Werk“ verdichtet es sich am Computer, wo sich Töne reizen, dehnen, überlagern lassen, wo hörbar werden kann, was hinter dem Klang vibriert. In Barbengo entstand u.a. ein Loop, der mit den Klängen des Campanile beginnt, dann – einer Fuge gleich -  das volksmusiknahe „Örgeli“ einfliessen lässt und schliesslich das Stapfen im Herbstlaub infiltriert und es mit dem Gekrächze eines Eichelhähers überlagert.

Den Pinsel hat die Künstlerin nicht vergessen als sie nach Barbengo kam. Der Pinsel gehört bei Eveline Imamoglu zum Sehen, zum fantastischen, vielleicht sogar surrealen Sehen, zur Natur. Schon lange. So entstanden unter vielem Zeichnungen, die nicht in die Ferne schweifen, die im Nahen forschen, ob sich da nicht dasselbe verbirgt wie im Fernen. Insektenflügel, Staubfäden, Blätter, Samenstände und mehr vereinen sich zum Tanz von Tod und Leben. Bezeichnend, dass die Künstlerin auf semitransparentes Papier malt, das die Dinge zeigt, aber fast nur wie im Vorbeiflug. 

Das Schwyzer-Örgeli, das Audio-Gerät, der PC, der Pinsel, das Papier.....und last but not least Bleistifte, um das, was tönt, das, was fliegt, das, was die Berge erzählen in Worte zu fassen. Es sind keine Gedichte im engeren Sinn, aber gleichwohl Lyrik - Worte, die nach ihren eigenen Gesetzen ranken, die Gedanken herbeiholen und wieder loslassen und sich letztlich zu etwas fügen, das so ist wie die Zeichnungen - ein kleines, fremd-nahes Universum - dann besonders verstärkt, wenn Wort und Bild sich paaren, wie in den hier publizierten Begleitfotos.

azw Dezember 2014/April 2015 

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Audio icon CampanileLoop.mp31.51 MB