Bruno Büchel Bielefeld (St. Gallen) 2017

 

Bruno Büchel Projekt Sciaredo 2017 1Für eine Vergrösserung und weitere Bilder clicke auf das Bild

Bruno Büchel ist ein Spieler. Er liebt das Spiel. Nicht im Casino, und doch ist das Roulette als Vergleich verführerisch. Denn auch bei flüchtigen, bildnerischen Experimenten gibt es Tops und Flops. Konkret: Von über 1000 Fotografien, die im April/Mai 2017 in, um und auf dem von grün umgebenen gelben Kubus entstanden, bilden nach kritischer Wertung deren 100 das Projekt Sciaredo 2017.

Eigentlich ist Bruno Büchel nicht Fotograf, sondern Maler. Aber als solcher mit verschiedensten Techniken im Feld der Kunst unterwegs. Je länger je mehr fasziniert ihn dabei der Gedanke des Flüchtigen; von Malerei, Installation, Objekt, Skulptur, Zeichnung, die aufscheint – vielleicht nur einen kurzen Licht-Moment lang – und dann wieder verschwindet. Die Fotografie, dieses Zeit anhaltende Medium, ist darum für das Sciaredo-Projekt seine Partnerin geworden.

Während seines Aufenthaltes im Tessin besuchte ihn eine junge Schweizer Kunstkritikerin. Als sie ihn fragte, was ihn denn konzeptuell antreibe, erschrak der „Spieler“ zunächst. Er hatte sich so in den Prozess von Bild und Umkehrung, von gross und klein, von nah und fern, von rot, gelb, blau, Körperfarbe und Lichtfarbe Natur und Architektur vertieft, dass der intellektuelle Blick auf aussen ihn momentan nicht beschäftigte. Doch dann wusste er  die Antwort und sagte: „Ich suche die 4. Dimension“.

Anfangs des 20. Jahrhunderts wurde die Frage nach der 4. Dimension intensiv diskutiert. Für Rudolf Steiner und andere war sie gleichbedeutend mit der spirituellen Dimension, doch schliesslich gewann Albert Einstein mit seiner These der Zeit als 4. Dimension die Oberhand und die Wissenschaft gehörte wieder der messbaren Ratio.

„Eigentlich“, so Bruno Büchel später, „sind mir beide Interpretationen lieb“.

Das liegt nahe, denn das Projekt Sciaredo 2017 lebt vom Wechselspiel zwischen materieller Körper(farbe) und immaterieller Licht(farbe) respektive der Faszination des Wandels vom einen ins andere. Die Physik spielt dabei genau so ihren Part wie die universelle Dimension. Es kommt als Motivation hinzu, dass das Hin und Her zwischen Lichtfarben (am Bildschirm zum Beispiel) und Farben auf körperlich Greifbarem immer bestimmender wird, aber selten hinterfragt wird.

Ausgangspunkt sind immer wieder zwei kleine Euro-Palette mit je drei mal drei Pflöcken, die der Künstler bei einer Entsorgungsaktion vor dem Scheiterhaufen gerettet hatte. Wohl weil er erkannte, dass die Höhe der Pflöcke zusammen mit zwei Glasscheiben interessante Zweischichtigkeiten erlauben würde. Er nahm sie nach Sciaredo mit und bemalte sie hier in freien geometrischen Rhythmen mit ungemischten, reinen Farben im Feld von rot, blau und gelb.

Eigentlich begann Bruno Büchels Spiel mit Transparenz, Spiegelung, Verschiebung schon vor 10 Jahren, sie fand aber beim ersten Aufenthalt in Sciaredo (2016 – siehe Kunstprojekt Büchel I) eine entscheidende Erweiterung durch den direkten Einbezug der Natur, die nun zusammen mit Landschaft markierenden Pinselzeichnungen auf Glas die „Malerei“ bildete.

Gegeben durch den skulpturalen Charakter der Palette konzentrierte sich der Dialog 2017 vermehrt auf die Architektur, zunächst rein körperlich durch das Spiel mit Farben, Flächen, Volumen, verschiedenen Blickwinkeln, Distanzen und mehr. Durch den erneuten Einbezug von Gläsern, das Wechselspiel mit Gittern und Rastern, die Berücksichtigung des Tageslichts, der Sonne und des Regens werden die Konstellationen komplexer. In freien Melodien setzt der Künstler weisse Tupfen und aus Umkehrungen entstandene Felder auf die Gläser. Sie bewirken in Kombination mit ihren Schatten auf den farbigen Paletten, aber auch verschiedensten anderen Untergründen inklusive der Wiese rund um Sciaredo, eine nochmalige Steigerung. Dabei ist auch die Positionierung der Kamera mit zu denken.

In  der Ausweitung des Nahen in die Weite, von der Dachterrasse zu den vorbeiziehenden Nebelschwaden und den Tessiner Bergen verführen im Bilderfluss des Projektes zum Entschweben des Geistes vom Dasein ins Dortsein. Georgette Klein (1893-1963), welche die Casa Sciaredo 1931/32 entworfen hatte und, so sagt man, oft auf der Dachterrasse schlief, kannte dieses Phänomen zweifellos.  

 

Annelise Zwez, Ende Mai 2017