Andreas Hofer - Bremgarten/Zürich

 

Andreas Hofer Zeichnungen Fotografie 08_2016

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Es gibt KünstlerInnen, die kommen mit einem konkreten Projekt in die Casa Sciaredo und ziehen das durch. Es gibt KünstlerInnen, die kommen mit nichts als sich selbst und harren der Ideen, die sie beflügeln. Und es gibt KünstlerInnen, die bringen Vorstellungen und Materialien mit, packen letztere aber gar nie aus, weil sie der Ort, das Haus, die Umgebung, das Tessin vom ersten Tag an packen und auf überraschende Wege schicken. Der Aargauer Künstler Andreas Hofer (* 1956) gehört zu letzteren und ist glücklich darüber.  Für einen Aufenthalt motiviert hatte ihn unter anderem die kompakte, klar strukturierte Bauweise des 1932 erstellten Hauses im Stil der Moderne. Das ist nicht verwunderlich, sind doch Raum und Architektur vielfältig bestimmend für sein künstlerischen Werk. Auch als Dozent bildet er angehende Architekten aus.

So nimmt er als Einstimmung den Zeichenblock und die schwarze Ölkreide und hält Konturen und Proportionen des erratisch auf einem Felsen-Hügel stehenden Hauses ins Visier. Und dann noch einmal. Doch von jeder Seite drängt sich der „Dschungel“ der Natur mit ins Bild und heischt Mitbestimmung. Und gewinnt. Der Künstler weiss, dass die Vegetation in seinem Schaffen schon immer einen schweren Stand hatte und so lässt er sich just davon herausfordern. Täglich sucht er gezielt neue Blickwinkel, bestimmt Nähe und Ferne, rückt eine einsame Taglilie, einen Wusch Goldruten oder aber den Gesamtblick von Süden, von Westen ins Zentrum. Er fühlt wie hier in dieser Umgebung innen und aussen verschmelzen, wie sich die Metalltreppen, die Dachterrassen und Baumwipfel oder auch Innenräume und Blicke aus den Fenstern optisch verbünden. Der alte, teilzerbrochene Spiegel, in dem sich Georgette Klein, die das Haus erbaute und hier lebte,  einst selbst betrachtete, wird  - wie schon bei Rembrandt und Hodler -  zum Selbstbespiegelungs-Tool. Er bringt den Künstler als Figur ins wachsende Zeichnungs-Universum ein, oft sitzend mit offenen Fenstern oder Türen hinter sich; Gegenlicht. Dass sich Andreas Hofer selbst als Massstab, als Zeichen einbringt, ist nicht neu in seinem Schaffen; die Retrospektive im Kunsthaus Grenchen zeigte es kürzlich mehrfach. Ungewöhnlicher ist, dass in dem letztlich 130 Blätter umfassenden Sciaredo-Konvolut auch seine Frau Irene explizit auftaucht,  sei es mit einem Büschel Kraut in der Hand oder mit einem ihrer vor Ort bemalten Stoffe.

Andreas Hofer war klar, nur ein Cluster konnte zeigen, was hier in wenigen Wochen entstanden war und so legte er die Blätter schon in Sciaredo selbst aus, suchte nach einem Ganzen, das die Gleichzeitigkeit des Seins vor Ort zeigt;  mal drinnen, mal draussen, mal die Nähe, mal die Weite, Kleines, dann wieder Grösseres fokussierend, den Himmel und die Berge zeigend, die gen Süden in die Rebberge führende Landschaft und immer wieder die Casa Sciaredo.

Ein Glücksfall war es, dass die Zürcher Galerie Rosenberg, in der Hofer regelmässig ausstellt, nur wenige Monate nach seinem Aufenthalt in Sciaredo eine Zeichnungsausstellung veranstaltet und der Künstler das 130-teilige Sciaredo-Opus integral zeigen kann.

Im Frühwerk des Künstlers spielt die Figur eine wichtige Rolle, dann verabschiedet sie sich mehr oder weniger und rückt den Raum, der immer schon wichtig war, ins Zentrum – den realen Raum, den umbauten Raum, aber immer auch den visionären, den künstlerischen. Ernsthaft, wenn es um subtile Verschiebungen, um Farbklänge geht, zuweilen aber auch mit Schalk, gar einer Prise Surrealismus. Dieser Schalk packt ihn auch in Sciaredo. Er nimmt die maskenartige Holzskulptur, die Georgette Klein in den 1930er/40er-Jahren geschaffen hat, hält sie sich vors Gesicht und pirscht wie ein Faun, ein Tänzer – in jedem Fall ein Performer – durch Haus und Garten. Eine versteckte Kamera hält sein Tun fest, mit gezielten Blick auf Farben, Posen, Licht und Imagination. Was GEO dazu gesagt habe, frage ich ihn. Der Künstler hält inne, denkt zurück und meint: „Sie hatte ihren Spass daran.“ Das ist leicht zu glauben, schuf Georgette Klein doch im Laufe ihres Künstler-Lebens unzählige Marionetten und Stabpuppen, mit denen sie selbst geschriebene Stücke im Stil der Commedia dell’ Arte aufführte. 

 

azw 10_2016