Alice und Bruno Arn-Lerch

Alice Arn  Der Feigenbaum als heitere Skulptur  Bruno Arn Luigi Tentori im Dialog mit Handelsmann Jan Six Feder-Kreide-Zeichnung Sciaredo 2016

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Die Casa Sciaredo sei ihr „Schloss“ , sagt Bruno Arn, „immer wieder ziehe es sie dahin. ¾ Jahre seien sie nun schon da gewesen insgesamt. Sciaredo, das sei Natur, Architektur, Lebensvision. Er meint damit die mit einem Gesamtkunstwerk vergleichbare Geschichte von Georgette und Luigi Tentori-Klein, die bis  1955 respektive 1963 daselbst gewirkt und gewohnt haben. Die in einem collageähnlichen Leporello zusammengefügten  Feder-Kreide-Zeichnungen von 2016 erzählen davon. Während die mit Skizzen, Fotos und Texten bestückten „Tagebücher“  von Alice Arn vor allem die künstlerischen Projekte der Aufenthalte von 2008, 2010, 2012/13 und Oktober bis Dezember 2016 dokumentieren.

Als Künstlerpaar würden sich die beiden kaum bezeichnen und doch war die bildende Kunst sowohl im Leben des Architekten wie der Primarlehrerin immer Begleiterin und seit der Pensionierung respektive der Übergabe des Architekturbüros in Münchenbuchsee ist da eine neue Freiheit, eine neue Lust Ideen umzusetzen; bei Alice Arn schon deutlich länger, aber mittlerweile gleichermassen hier wie dort.

Vergleichbar sind ihre Malerei, ihre Zeichnungen, ihre Objekte nicht. In Alice Arns Werken ist mehr Luft, mehr  Spiel und Spontaneität und vor allem auch mehr Freude am handwerklichen Tun. In Bruno Arns Ausdrucksformen hingegen sind  stets Momente der Verdichtung wichtig. Die aus vielen tausend kleinen Schraffurstrichen zusammengesetzte, grossformatige Zeichnung der utopischen Begegnung von Luigi Tentori und dem holländischen Handelsmann Jan Six (1618-1700), dessen Antlitz uns dank Rembrandt überliefert ist, könnte nie von Alice Arn stammen. Sie hat 2016 u.a. 43 schalenähnliche Papiermaché-Töpfe gekleistert und (teilweise) bemalt, um sie im Raum – fast wie zu Bauhaus-Zeiten – „tanzen“ oder Bäumen gleich in den Himmel wachsen zu lassen. Das ist sogar fast wörtlich zu verstehen, denn bei einem Besuch der Familie türmten sie die Töpfe bis hinauf zur Dachterrasse....dann freilich wankte die Balance.... und die papierleichten, roten, gelben, blauen und grünen Gefässe „verfingen“ sich (mit etwas Nachhilfe) im Feigenbaum vor dem Haus und wurden temporär zur Naturskulptur (siehe Fotos).

Auch in den „Spätherbst“-Bildern von Bruno Arn spielt der Sciaredo-Garten – der Khaki-Baum, das Licht, die fallenden Blätter – eine wichtige Rolle, aber es bedarf der rhythmisch bemalten, hochformatigen, grautonigen Papier-Streifen von Alice Arn, um den im Herbst durchlässig werdenden Kranz von Bäumen einzufangen, welcher die Kuppe des einst mit Reben bepflanzten Felsen-Hügels in eine grüne Oase verwandelte.

Sowohl für Alice wie für Bruno Arn bedeutete die Sciaredo-Zeit 2016 Öffnung nach einer Phase der Konzentration auf ein definierten Parametern folgendes Projekt. Alice Arn hatte im Sommer das Weihnachtsbild für Karten und das Weihnachtsheft des Evangelischen Frauenforums geschaffen, Bruno Arn eine Porträt-Galerie bekannter Persönlichkeiten von Münchenbuchsee.  Die Projekte zeigen indirekt wie Alice Arn stark dem Bildhaften verpflichtet ist, während den einstigen Gemeinderat immer auch historische und gesellschaftliche Aspekte interessieren. Entsprechend entstand die zeichnerische Begegnung Tentori – Six aufgrund der Lektüre einer Publikation zur niederländischen Handelsfamilie, die in Sciaredo in Dialog tritt mit dem Handwerker und Bauern Luigi, der 1932 gleichsam en passant den „Traum“ seiner Frau verwirklicht respektive das erste Wohnhaus im Bauhaus-Stil im Tessin erbaut.

Weder das eine noch das andere Projekt, noch die Sciaredo-Arbeiten werden bald schon in grösserem Rahmen öffentlich gezeigt werden – der Kunstbetrieb ist nicht die Sache der Arns. Kunst ist für sie erfüllte Lebensgestaltung – und das ist nicht wenig!

azw Dezember 2016